„Neugierig bin ich schon, wo du gewesen bist", lächelt sie. „Und so plötzlich bist heimgekommen—"

„Ist es wirklich so plötzlich, Annerl? Ich denke doch, daß die Geschichte von damals sich herumgesprochen hat. Es war eine böse Sache."

Nun ist auch Anne-Kathrein ernst.

„Ja, Andy, es war eine wirklich böse Sache. Das ganze Dorf ist erschrocken gewesen, als du plötzlich fort warst. Und doch habe ich es nicht glauben können von dir, Andreas. Ich —"

Sie bricht plötzlich ab, aber seine Augen halten sie fest.

„Was wolltest du sagen, Annerl? Bitte, sage es.'"

Was Andy bloß für helle, sprechende Augen hat. Hat sie ihn eigentlich so in Erinnerung gehabt?

„Ich wollte sagen, daß ich dich ganz anders gekannt habe.'"

Wie ein Wetterleuchten ist das in seinen Augen. Aber er schweigt; er schaut sie nur an.

Erst nach einer Weile sagt er:

„Du warst damals noch ein Backfisch, und ich wollte dich nicht in die Geschichte hineinziehen. Leid genug hat es mir getan, daß ich ohne Abschied fort mußte. Kannst du dich erinnern, wie wir früher immer in die Wälder gegangen sind und uns alles erzählt haben? All die Jahre in Kanada habe ich daran denken müssen. Ach so, das weißt du ja noch gar nicht. In Kanada war ich. Dort gibt es Wälder wie hier und auch Berge. Ich zeige dir bei Gelegenheit

 

 

mal Fotos. Ein rauhes Klima herrscht dort, viel schärfer noch als bei uns. Und schön ist das Land. Aber es hat mich nicht gehalten. So wie hier ist es eben nirgendwo auf der Welt."

Anne-Kathrein nickt ernst.

„Das verstehe ich gut, Andy. Ich glaube, ich würde wohl auch nirgendwo so richtig heimisch werden. Hier ist meine Heimat. Bleibst du nun für immer?"

Er nickt.

„Ich habe noch ein paar kleinere Reisen zu erledigen. Aber dann bleibe ich hier. Ich habe große Pläne. Ich möchte auch im Winter Arbeit für unsere Leute schaffen und vielleicht eine Möbelfabrik bauen." Er lacht. „Daß ich dir das alles gleich in der ersten halben Stunde erzähle!"

So richtig froh sieht er aus.

In ihr ist plötzlich eine riesengroße Angst. Er ist viele Jahre fort gewesen. Vielleicht hat er. da draußen einen Menschen gefunden, der zu ihm gehört und ihm hierher folgen will?

Sie könnte es gut verstehen, wenn es so wäre. Fünf Jahre sind lang. Und doch, mein Gott, Andreas, Andy —

Auch er schaut sie unauffällig immer wieder an. Eine junge Frau ist aus der Anne-Kathrein geworden. Sie trägt das schöne braune Haar immer noch wie früher in Zöpfen um den Kopf gelegt. Und ihre Augen scheinen ihm noch dunkler geworden.

Hübsch ist sie, die Anne-Kathrein. Und ihre Gestalt ist schlank und rank.

Er denkt an die Frauen und

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