Kehrwoche? Kursangebot für Nicht-Schwaben

Ja, sie sind schon ein gar lustig Völkchen, diese Schwaben. Wenn sie in ihrer Freizeit nicht gerade an dem eigenen Haus bauen oder zumindest renovieren, greifen sie gerne zu Putzeimer und Besen. Der Erfolg ist sichtbar: saubere Bürgersteige. Dafür ist vor allem ein durch die Jahrhunderte tradierter Ritus verantwortlich: die Kehrwoche! Nicht- Schwaben stehen vor diesem Phänomen immer wieder staunend. Da liegt die Überlegung nahe, doch einmal einen entsprechenden Kurs anzubieten. Ich werde die VHS in Calw nach ihren diesbezüglichen Erfahrungen befragen und dann ein entsprechendes Angebot auf meinen "Männerseiten" einrichten.

Aus der Südwest Presse vom 17. 2. 1998

Die Kehrwoche kennt keinen Scherz

Mehr als hundert Interessenten wollen Schrubbtechniken erlernen

Bei der Kehrwoche verstehen Schwaben keinen Spaß. Das mußte jetzt Klaus-Peter Hartmann, Leiter der Volkshochschule (VHS) Calw, erfahren.

CALW  - Der gebürtige Schwabe hatte einen "Kehrwochen- Kompaktkurs" für den l. April 1998 in das VHS-Veranstaltungsangebot aufgenommen. Bei diesem Datum, dachte er, würde niemand reagieren. Die "Kehrwoche für Nicht- schwaben" fand aber solchen Anklang, daß aus dem Aprilscherz nun Ernst wird, wenn auch in etwas abgewandelter Form.

Mit dem erstmals ausgeschriebenen Kompaktkurs würden auch Nichtschwaben mit keinen oder nur geringen Vorkenntnissen in die Kunst der Kehrwoche eingeführt,

erläuterte das VHS-Programmheft den Kurs. Das Vertrautwerden mit diesem einheimischem Brauchtum helfe, sich schnell im Schwabenland zu integrieren. Der Kurs biete nach einer mehr theoretischen Einführung in die "historisch-soziologische Bedeutung" der Kehrwoche auch praktische Übungen. So würden Materialkunde (Besen, Schrubber, Kehrblech-Konstruktion) und das Erlernen. der wesentlichen Griff-, Halte, Schwung- und Schrubbtechniken gelehrt. Am Ende des Kurses sollten die Teilnehmenden in der Lage sein, selbständig ein Stück Straße zu kehren, hieß es. Die Teilnehmer müßten Kopftuch, Kittelschürze und -,für Griffübungen - ein Rundholz von etwa drei Zentimeter Durchmesser und mindestens einem Meter Länge mitbringen. Die Kursdauer war mit fünf mal drei Stunden veranschlagt, als Gebühr sollten 135 Mark entrichtet werden. Obgleich mit dieser Beschreibung das VHS-Angebot durchaus als Scherz erkennbar schien - gingen in kurzer Zeit fast 100 ernst gemeinte Anmeldungen ein. Darunter waren drei benachbarte Ortsverwaltungen, die ihren Mitarbeitern den letzten Schliff fürs Straßenfegen vermitteln wollten. Eine Calwerin meldete ihren Ehemann an, damit so endlich dessen "Putzdefizite" behoben würden. Neben weiteren Einzelpersonen - meist aus dem Landkreis Calw - meldete sich geschlossen eine 35köpfige Besuchergruppe aus England an, die um den l. April herum den Nachbarkreis Böblingen bereist. Bei so viel Nachfrage mußte VHS-Chef Hartmann gestern einfach kapitulieren. epd

Bereits am 18. 2. 98 traf von unserem treuen Leser Frank Stückradt eine erste Reaktion ein:

Als geborener Schwabe liegt mir natürlich die Kehrwoche auch besonders am Herzen...

Ich hab' dazu gestern in SWF3 ein Feature (natürlich mit Gotthilf Pennibel) gehört, in dem der VHS-Leiter interviewt wurde. Ergebnis war: Der Kurs findet statt, und zwar auf einem Stück ungefegter Straße, wohl mehr so als Kehrwochen-Happening, ohne höhere Kursgebühr.

Herr Hartmann hat also wohl nicht kapitulierte, sondern wird sich am 1.4. vermutlich der Herausforderung, dieses schwäbische Tabuthema (jeder tut es, keiner wurde jemals so recht darüber aufgeklärt) zielgruppengerecht schonungslos aufzuklären, stellen.

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