Flirt mit der ZukunftHaben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, wie menschliche Beziehungen in der Zukunft - sagen wir: in 10 bis 15 Jahren - aussehen werden? Wird man noch miteinander flirten? Wird es noch knisternde Erotik geben? Lassen Sie uns eine kleine Zeitreise unternehmen ... "Es war einer jener lauen Septemberabende, die ich so liebte. Vor
mir stand eine gute Flasche Wild Turkey und ich überlegte, wie ich
den Abend verbringen wollte. |
Während ich müde den Stuhl hinter mich schob, um aufzustehen,
fiel mein Blick auf die Tür-Beschriftung: Herby H. Hank, Privat-Detektiv
stand da. Ich schnaubte verächtlich durch die Nase - es war ein schmutziger
Job. Täglich schnüffelte ich im Internet untreuen Frauen hinterher,
die sich VPDs (Very Private Datas) wildfremder Jungs in ihren Fun-Stick
luden - oder ihre eigenen Daten zur Verfügung stellten, damit irgendwelche
Typen Nachschub für ihren Fun-Ring hatten - sehr zum Mißfallen
der Ehemänner. Das störte mich auch nicht weiter, mich wunderte
eher, daß es überhaupt noch sowas wie "Ehe" und "Zweierbeziehungen"
gab ... Inzwischen war in der Blue-Chip-Bar angekommen. Es war noch eine richtig altmodische Bar: keine Bildschirmfolien, keine Laser-Räume - nur ein paar Stühle, Tische, eine lange Theke und ein ausgesprochen gutes Whiskey-Sortiment. Wie üblich waren nicht viele Leute anwesend - wer konnte es sich schon leisten, abends nicht am Computer zu arbeiten? Nur reiche Leute. Entsprechend wurde ich gleich von der schwarzhaarigen langbeinigen ins Visier genommen. Ich lehnte mich an die Theke und ließ meine Gedanken weiter schweifen. Wenn die wüßte! Die hielt mich für irgendwas Einflußreiches: Müllmann, Inter-Shop-Austräger oder etwas ähnlich Großartiges. Ich rief meine Bestellung in die dunkle Ecke, in der ich die Barkeeperin vermutete, war mit meinen Gedanken aber schon wieder weit weg, als mir der Wild Turkey hingestellt wurde. Austräger - das wär' was! Nein, es ging damals alles sehr schnell, so um 2005 herum. Meine Firma wurde von Microsoft verklagt, da plötzlich niemand mehr Lust hatte, die Nachfolge-Versionen von Windows zu kaufen. Das Zeug funktionierte ja tadellos - dank meines Tools! Ich hatte also den Zusammenbruch von Microsoft verursacht, ohne es zu wollen (na ja, ein bißchen vielleicht - denn das Tool hatte ich vorsichtshalber auf einem Mac entwickelt). Über Nacht verlor ich mein ganzes Geld und wurde ein, zwei Jahre wie ein Aussätziger behandelt. Aber dann folgten mir alle meine ehemaligen "Freunde". Computer-, Multimedia- und Internet-Arbeit war plötzlich nichts mehr wert. Die Kids klickten bereits in der Vorschule ihre ersten Programme zusammen, wer es auch nur bis zum SP schaffte (= Simple-Grade, in meiner Jugend hätte man das Hauptschulabschluß genannt) beherrschte von der Systemadminstration bis zur einfachen Interferenz-Programmierung praktisch alles. Wenn die 35jährigen Väter zu Hause ihren Grundschulkindern was von "Homepage", "Flash", "Mpeg8" oder gar "Java" vorplapperten, lächelten diese nur mitleidig. Die neuen Programmierungsmethoden schaffte keiner, der mal die 30 überschritten hatte - aber zu Hilfsdiensten (wie Webmaster, Screendesigner oder Sys-Admin) war er vielleicht gerade noch tauglich. Entsprechend niedrig wurden diese Dienste bezahlt - unter 14 Stunden Arbeit am Tag konnte man sich meist nicht am Leben erhalten. Das war nicht weiter schlimm: Die meisten Eltern hatten damals in Start-Ups begonnen und kannten daher gar keinen anderen Tagesablauf. 90 % der Bevölkerung saßen oder standen inzwischen tagtäglich vor ihren Bildschirmfolien - daher gehörten NSWs (= No-Screen-Workers) zur gehobenen Schicht. Ich kannte
dieses Gefühl. Ich beschloß, die trübsinnigen Gedanken
wegzuwischen und meine Umgebung wieder wahrzunehmen. Jetzt erst sah ich,
daß die neue Barkeeperin mich unablässig musterte. Auf meinen
fragenden Blick hin kam sie näher und schaute mir lächelnd in
die Augen. © H. Hertramph/maennerseiten.de 2000 |
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