Samstagmorgen im Basar

Basar

fremde Laute

„Ah! Es war herrlich!“ Die lesefreudigste von allen Freundinnen, Marcella, schaute kurz über ihren Zeitungsrand, biss ein Stück ihrer Wassermelone ab und vertiefte sich wieder in ihren Artikel. Aber ich war so schnell nicht zu bremsen: „Diese Farbenpracht! Diese Vielfalt an Obst und Meeresfrüchten! Diese Wohlgerüche unbekannter Gewürze!“
Mein schweigsames Gegenüber hob die die Augenbrauen und blätterte um. Während ich meinen heißen und tiefschwarzen Mokka schlürfte, fuhr ich fort: „Menschen aus allen Herren Länder! Ein brodelndes Stimmengewirr in der Glut der Mittagshitze! Unbekannte Laute, die an mein Ohr drangen. Musik von Ferne, die mit ihrem rhythmischen Klang den Puls beschleunigt!“ Marcella seufzte und las weiter. Ich lehnte mich zurück und hob das Glas klaren kalten Wassers. „Wie schlicht die Freuden des Lebens doch sein können“, philosophierte ich. „So schlicht und einfach, wie dieses Wasser, das meine Lippen benetzen wird und meiner ausgedörrten Kehle Geschmeidigkeit verleihen wird.“
Hinter dem Zeitungspapier klang irgendwas wie „Ach, möge Deine Kehle doch ausgedörrt bleiben und Deine Zunge vertrocknen …“ Ich stutze, setze Mein Glas hart auf den Tisch und sagte im bestimmenden Ton des Hausherren: „Weib! Bedenke, mit wem Du sprichst und lass jenen Respekt walten, der Dir gut zu Gesichte steht.“
Nun legte Marcella die Zeitung aus der Hand und sah mir direkt in die Augen:
„Oh Du einfältigster aller Gatten! Nur, weil Du einmal samstags um neun Uhr aufgestanden und zum Ulmer Wochenmarkt gestiefelt bist, leben wir noch lange nicht an einer Oase in der Sahara! Deine ‚unbekannten Gewürze‘ waren wahrscheinlich Küchenkräuter, die Du nur via Google Bildersuche kennst. Die ‚unbekannten Laute‘ stammten entweder von Mitbürgern mit Migrationshintergrund oder Besuchern aus Bayern. Und die ‚fremdländische Musik‘ entspringt der Kebab-Bude hinter dem Marktplatz!“
Sie sah mich vernichtend an. Frauen können ja sooo desillusionierend sein! Ich schlug die Augen nieder. Ein leises Seufzen entrang sich meiner immer noch ausgedörrten Kehle. Abermals erhob sie ihre Stimme:
„Okay, okay – nächsten Samstag darfst Du wieder ausschlafen und ich geh‘ auf den Wochenmarkt. Dieses Theater erträgt ja kein Mensch!“
Meine Lippen umspielte ein sanftes Lächeln, während ich Honig auf mein Brötchen träufelte. Oh Ihr Vorfahren, die Ihr direkt vom Kalifen Ischnapurs abstammen möget – dank an Euch für die Weisheit, die Ihr mir in die Wiege gelegt habt!

3 Kommentare

  1. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

  2. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

  3. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Samstagmorgen im Basar

Basar

fremde Laute

„Ah! Es war herrlich!“ Die lesefreudigste von allen Freundinnen, Marcella, schaute kurz über ihren Zeitungsrand, biss ein Stück ihrer Wassermelone ab und vertiefte sich wieder in ihren Artikel. Aber ich war so schnell nicht zu bremsen: „Diese Farbenpracht! Diese Vielfalt an Obst und Meeresfrüchten! Diese Wohlgerüche unbekannter Gewürze!“
Mein schweigsames Gegenüber hob die die Augenbrauen und blätterte um. Während ich meinen heißen und tiefschwarzen Mokka schlürfte, fuhr ich fort: „Menschen aus allen Herren Länder! Ein brodelndes Stimmengewirr in der Glut der Mittagshitze! Unbekannte Laute, die an mein Ohr drangen. Musik von Ferne, die mit ihrem rhythmischen Klang den Puls beschleunigt!“ Marcella seufzte und las weiter. Ich lehnte mich zurück und hob das Glas klaren kalten Wassers. „Wie schlicht die Freuden des Lebens doch sein können“, philosophierte ich. „So schlicht und einfach, wie dieses Wasser, das meine Lippen benetzen wird und meiner ausgedörrten Kehle Geschmeidigkeit verleihen wird.“
Hinter dem Zeitungspapier klang irgendwas wie „Ach, möge Deine Kehle doch ausgedörrt bleiben und Deine Zunge vertrocknen …“ Ich stutze, setze Mein Glas hart auf den Tisch und sagte im bestimmenden Ton des Hausherren: „Weib! Bedenke, mit wem Du sprichst und lass jenen Respekt walten, der Dir gut zu Gesichte steht.“
Nun legte Marcella die Zeitung aus der Hand und sah mir direkt in die Augen:
„Oh Du einfältigster aller Gatten! Nur, weil Du einmal samstags um neun Uhr aufgestanden und zum Ulmer Wochenmarkt gestiefelt bist, leben wir noch lange nicht an einer Oase in der Sahara! Deine ‚unbekannten Gewürze‘ waren wahrscheinlich Küchenkräuter, die Du nur via Google Bildersuche kennst. Die ‚unbekannten Laute‘ stammten entweder von Mitbürgern mit Migrationshintergrund oder Besuchern aus Bayern. Und die ‚fremdländische Musik‘ entspringt der Kebab-Bude hinter dem Marktplatz!“
Sie sah mich vernichtend an. Frauen können ja sooo desillusionierend sein! Ich schlug die Augen nieder. Ein leises Seufzen entrang sich meiner immer noch ausgedörrten Kehle. Abermals erhob sie ihre Stimme:
„Okay, okay – nächsten Samstag darfst Du wieder ausschlafen und ich geh‘ auf den Wochenmarkt. Dieses Theater erträgt ja kein Mensch!“
Meine Lippen umspielte ein sanftes Lächeln, während ich Honig auf mein Brötchen träufelte. Oh Ihr Vorfahren, die Ihr direkt vom Kalifen Ischnapurs abstammen möget – dank an Euch für die Weisheit, die Ihr mir in die Wiege gelegt habt!

3 Kommentare

  1. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

  2. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

  3. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Samstagmorgen im Basar

Basar

fremde Laute

„Ah! Es war herrlich!“ Die lesefreudigste von allen Freundinnen, Marcella, schaute kurz über ihren Zeitungsrand, biss ein Stück ihrer Wassermelone ab und vertiefte sich wieder in ihren Artikel. Aber ich war so schnell nicht zu bremsen: „Diese Farbenpracht! Diese Vielfalt an Obst und Meeresfrüchten! Diese Wohlgerüche unbekannter Gewürze!“
Mein schweigsames Gegenüber hob die die Augenbrauen und blätterte um. Während ich meinen heißen und tiefschwarzen Mokka schlürfte, fuhr ich fort: „Menschen aus allen Herren Länder! Ein brodelndes Stimmengewirr in der Glut der Mittagshitze! Unbekannte Laute, die an mein Ohr drangen. Musik von Ferne, die mit ihrem rhythmischen Klang den Puls beschleunigt!“ Marcella seufzte und las weiter. Ich lehnte mich zurück und hob das Glas klaren kalten Wassers. „Wie schlicht die Freuden des Lebens doch sein können“, philosophierte ich. „So schlicht und einfach, wie dieses Wasser, das meine Lippen benetzen wird und meiner ausgedörrten Kehle Geschmeidigkeit verleihen wird.“
Hinter dem Zeitungspapier klang irgendwas wie „Ach, möge Deine Kehle doch ausgedörrt bleiben und Deine Zunge vertrocknen …“ Ich stutze, setze Mein Glas hart auf den Tisch und sagte im bestimmenden Ton des Hausherren: „Weib! Bedenke, mit wem Du sprichst und lass jenen Respekt walten, der Dir gut zu Gesichte steht.“
Nun legte Marcella die Zeitung aus der Hand und sah mir direkt in die Augen:
„Oh Du einfältigster aller Gatten! Nur, weil Du einmal samstags um neun Uhr aufgestanden und zum Ulmer Wochenmarkt gestiefelt bist, leben wir noch lange nicht an einer Oase in der Sahara! Deine ‚unbekannten Gewürze‘ waren wahrscheinlich Küchenkräuter, die Du nur via Google Bildersuche kennst. Die ‚unbekannten Laute‘ stammten entweder von Mitbürgern mit Migrationshintergrund oder Besuchern aus Bayern. Und die ‚fremdländische Musik‘ entspringt der Kebab-Bude hinter dem Marktplatz!“
Sie sah mich vernichtend an. Frauen können ja sooo desillusionierend sein! Ich schlug die Augen nieder. Ein leises Seufzen entrang sich meiner immer noch ausgedörrten Kehle. Abermals erhob sie ihre Stimme:
„Okay, okay – nächsten Samstag darfst Du wieder ausschlafen und ich geh‘ auf den Wochenmarkt. Dieses Theater erträgt ja kein Mensch!“
Meine Lippen umspielte ein sanftes Lächeln, während ich Honig auf mein Brötchen träufelte. Oh Ihr Vorfahren, die Ihr direkt vom Kalifen Ischnapurs abstammen möget – dank an Euch für die Weisheit, die Ihr mir in die Wiege gelegt habt!

3 Kommentare

  1. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

  2. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

  3. @dworni
    Jun 27, 2010

    hervorragende Desillusionierungsgeschichte zum Sonntag. herrlich.

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert